Reichelsheim

Die Horloff(-aue)

Reichelsheim liegt an dem Flüsschen Horloff, das wie die vielen anderen Flüsse und Bäche, welche die Wetterau durchziehen, im Vogelsberg entspringt. Die Horloffquelle liegt in unmittelbarer Nähe des Schottener Segelflugplatzes. Die Horloff fließt vorbei an Gonterskirchen, Hungen und Echzell, bis sie etwa 3,5 Kilometer hinter Reichelsheim in die Nidda mündet. Der Name 'Horloff' lässt sich herleiten aus dem Althochdeutschen: 'horawin' = sumpfig, Zwischenstationen zum Neuhochdeutschen sind 'Hurwinaffa', 'Hurnaffa' (8. Jahrhundert) und 'Hurlyphe' (1263).

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Natürlicherweise war die Horloffaue überwiegend Sumpfland, von Au- und Bruchwäldern, Schilf- und Seggenröhrichten bedeckt. Die landwirtschaftliche Nutzung durch den Menschen seit über 2000 Jahren ließ eine mehr oder minder feuchte Wiesen- und Riedlandschaft entstehen ('Mähried Reichelsheim'). Der Baumbewuchs beschränkte sich nun weitgehend auf einen die Ufer vor Erosion schützenden Ufersaum. Mitte des 19. Jahrhunderts begannen verstärkte Bemühungen, durch das Anlegen von Abzugsgräben das Grundwasser abzusenken und damit die Nutzbarkeit der Wiesen zu verbessern, stellenweise sogar Ackerland und Bauland zu gewinnen.

Seit 1985 ist die Horloffaue Teil des Landschaftsschutzgebietes 'Auenverband Wetterau'. Ihr besonderer Wert ist landschaftsästhetisch, hydrologisch (Rententionsraum) und ökologisch begründet. Schützenswert ist die offene, gehölzarme Wiesenlandschaft mit ihren artenreichen Riedwiesen. Das Gebiet besitzt überregionale Bedeutung für den Vogelschutz: Durchzug und Überwinterung von Zugvögeln (Kranich, Goldregenpfeifer u.a.), Nahrungsbiotop von Rohrweihe und Weißstorch aus dem nahen Bingenheimer Ried, Brutbiotop von Kiebitz, Schafstelze und Grauammer. Bei Hochwasser ziehen hier auch Schwäne ihre Runden auf den entstandenen Seen der überfluteten Wiesen. Es ist geplant, durch eine Nutzungsextensivierung auf Teilflächen den ökologischen Wert des Gebietes weiter zu erhöhen und ehemals hier vorkommende Arten wieder heimisch zu machen (z.B. Brachvogel und Bekassine).

Die östlich an Reichelsheim vorbei fließende Horloff, hat im Verlauf ihrer Geschichte wohl mehrfach den Lauf verändert. Auf einer historischen Karte von 1840 schwenkt der Fluss unterhalb der alten Brücke (am Kindergarten) stärker als heute nach Südosten ab und fließt dann nahe der Leidhecker Gemarkungsgrenze weiter Richtung Florstadt.
Ihr heutiges Bett hat die Horloff bei Reichelsheim mit ihrer Kanalisierung und Begradigung erhalten, welche im Zuge der 1902 abgeschlossenen Flurbereinigung vorgenommen wurde.

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Die Karte zeigt den alten, ursprünglichen Verlauf (dunkelblau) von Horloff und Nidda in der Horloffaue vor der Begradigung.
(Karte © OpenStreetMap und Mitwirkende, CC-BY-SA, Bearbeitung A.Hitz, Verlaufsdaten aus einer Karte der 'Großherzoglichen Kultur-Inspektion', Friedberg, von 1903.)

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Mit dem begradigten Verlauf und dem geformten Trapezprofil kann die Horloff viel Wasser aufnehmen und abführen. Das Bild zeigt die Horloff am Reichelsheimer Flugplatz bei abklingendem Hochwasser.

Die Horloff erhielt bei der Begradigung ein genormtes Gewässerbett, ein sogenanntes 'Trapezprofil'. Die gras- und krautbewachsenen Uferböschungen wurden beweidet oder gemäht. Auf die Böschungskronen pflanzte man in regelmäßiger Reihung raschwüchsige Hybridpappeln.
Seit den 1970er Jahren trat der Gedanke des Natur- und Umweltschutzes stärker in den Vordergrund. Man erhöhte die ökologische Vielfalt durch die Anpflanzung einheimischer, standortgerechter Straucharten wie Hasel, Roter Hartriegel, Weißdorn, Strauchweiden oder Pfaffenhütchen. Außerdem legte man einen Schwarzerlensaum zur biologischen Ufersicherung an.

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Blick von Ober-Florstadt in Richtung Reichelsheim. Entlang der Horloff stehen bis 2005 noch große Pappeln.

Die an der Horloff zwischen Reichelsheim und dem Flugplatz stehenden Pappeln wurden 2005 gefällt. Ein Pflege- und Entwicklungskonzept sah die sukzessive Entnahme der Hybridpappeln vor: "Durch selektives Auslichten des Erlenbestandes, einzelnen Nachpflanzungen und natürlicher Entwicklung wird das Aufwachsen eines naturnahem Gehölzufersaumes gefördert. Dabei ist ein Wechsel von gehölzbestandenen und gehölzfreien Bereichen erwünscht. Dies erhöht die Biotopvielfalt und eröffnet dem Besucher Einblicke in den landschaftlichen Reiz der weiten Horloff-Aue.", heisst es darin.
Letztlich kam die Fällung der Pappeln auf dem Betreiber des Reichelsheimer Flugplatz zu gute. Die Betreibergesellschaft hatte jahrelang für die Fällung der Pappeln - vor allem im An- und Abflugbereich entlang der Nidda - zur Sicherung des Flugverkehrs gekämpft.

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Steinbogenbrücke aus dem Jahr 1864 am heutigen Kindergarten 'Steinbeisser'. Über die Brücke führt die Neugasse, welche hier u.a. als Zufahrt zu Kindergarten, Schule, Mehrzweckhalle und Sportplätzen dient.

Vor der alten Bachbrücke befand sich an dieser Stelle die sog. "Gäulsfurt". Hier wurden Pferde getränkt und gewaschen, vor dem Brückenbau diente sie auch zum Durchqueren des Flüsschens mit Zugtieren und Fuhrwerken (zu Zeiten der Stadtbefestigung dürfte man Reichelsheim dafür aus dem Ost-Tor verlassen oder betreten haben).
In den 70er Jahren wurden die Ufer befestigt und ein Regenüberlauf installiert. Die alte Brücke ist einbogig in Bruchstein ausgeführt, der Schlussstein im südlichen Bogen datiert auf 1864. Die Brücke wurde zur besseren landwirtschaftlichen und baulichen Erschließung des Gebietes und der Wiesen östlich der Horloff errichtet.

Weitere historische Informationen zur Horloff findet man hier.


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Markante Weide in der Horloffaue zwischen Reichelsheim und Leidhecken.

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Der kleine Steg in der Verlängerung der Roßgasse führt über die Horloff in die Wiesen.

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Nebelige Herbststimmung in der Horloffaue zwischen dem Flugplatz und Reichelsheim.

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Der Blick von der Riedbrücke in Richtung Flugplatz zeigt die Horloff in ihrem begradigten Trapezprofil.

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Blick von der Riedbrücke entlang der Horloff in Richtung Reichelsheim.

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Zwischen Reichelsheim und Leidhecken verläuft der Horloff-Flutgraben, der bei Hochwasser die Horloff entlasten soll.

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Blick über eines der Gewässerbiotope nahe dem Flutgraben nach Reichelsheim.

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Im Horloff-Flutgraben südlich der Landebahn des Flugplatzes sonnt sich ein Nerz. Nach Gerüchten in der Bevölkerung sind die Nerze irgendwann mal auf einer Nerzfarm ausgebüchst und haben sich in der Horloffaue vermehrt.

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Sonnenaufgang in der Horloffaue in der Nähe des Flugplatzes.

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Früh am Morgen, wenn der Flugplatz noch geschlossen ist, nutzen andere Bewohner der Horloffwiesen das Gelände.

Quellen: NABU, Stadt Reichelsheim
Text und Bilder: Alexander Hitz

Die Horloff im Winter

Die Winter in Reichelsheim und der Horloffaue sind meist sehr mild. Schnee und große Kälte sind eher selten. Trotzdem kommt es vor (wie beispielsweise in 2010), dass die Horloff großflächig zufriert, wenn die Temperaturen mehrere Tage deutlich unter dem Gefrierpunkt liegen. Und das, obwohl die Fließgeschwindigkeit der Horloff relativ hoch ist (mit der Renaturierung wird sich das bessern).

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2010 fiel die Temperatur mehrere Tage auf -25 Grad. Die Horloff fror großflächig zu.

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Die fast vollständig zugefrorene Horloff im Bereich der Spielstraße in Reichelsheim.

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Die Feuerwehr befreite im Januar 2010 sogar einen Schwan, der mit einem Eisklumpen am Flügel in einer Öffnung im Eis feststeckte. Das Eis der Horloff war so dick, dass den Feuerwehrmann problemlos trug.

Renaturierung

In den Jahren 2013/2014 wurde der Verlauf der Horloff an einigen Teilstücken ihres Verlaufs renaturiert. Im Bereich von Reichelsheim finden sich diese Teilstücke zwischen Reichelsheim und Flugplatz und parallel zum Bingenheimer Ried. Renaturierung bedeutet in diesem Fall, dass das ehemals bei der Begradigung der Horloff vor 60 Jahren entstandene kanalartige Flussbett verschwindet und ein möglichst naturnaher Verlauf mit Buchten, Inseln und Kurven hergestellt wird - man lässt sie Horloff in ihrem bisherigen Flussprofil 'pendeln'.

Die Begradigung der Horloff vor 60 Jahren hatte langfristige biologische Folgen. Während es gewollt war, dass das Wasser schneller abfloss und Überflutungen wegen der hohen Uferböschung ausblieben, erhöhte sich allerdings die Wassertemperatur. Fische gab es kaum noch und der Flussboden verschlammte zunehmend.

Diese Renaturierung ist bis heute eines der größten Renaturierungsprojekte, das es in Reichelsheim je gab. Durch Bagger wurden Buhnen angelegt, Steinriegel aufgebaut und Baumstämme ins Flussbett modelliert. Weiter wurde der Bewuchs entfernt und rund 22.000 Kubikmeter Erde vom Uferrand entfernt. Die Erde wurde an der Westseite des Bergwerksees bei Dorn-Assenheim aufgeschüttet. 230.000 Euro kostete diese Renaturierung. Sie wurde zu 100 Prozent vom Land Hessen finanziert.

Gewässerökologe Gottfried Lehr erläuterte gegenüber der Wetterauer Zeitung: "Wir werden Kies- und Sandbänke bekommen. Stillzonen wechseln sich mit Strömungszonen ab. Irgendwann siedeln sich typische Uferpflanzen an: Erlen, Eschen und Weiden. Sie werfen Schatten auf das Wasser, damit es sich im Sommer nicht zu stark erwärmt. Ehe die Bäume wachsen, machen sich Stauden am Ufer breit. Gepflanzt wird nichts, es wird einen natürlichen Bewuchs geben. Die Tiere und Pflanzen werden vom Umbau profitieren. Früher oder später werden sich Hecht und kleines Rotauge im Wasser tummeln. Eisvögel werden übers Wasser huschen, um sich die kleinen Fische zu schnappen. Schlammpeizger, Bitterlind und Baben werden sich im flachen Ufer ansiedeln. Watvögel wie Regenpfeifer und Uferläufer kommen als erstes. Die Horloff ist die Achse des Vogelschutzgebiets, des Auenverbunds."

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Renaturierung der Horloff zwischen Flugplatz und Reichelsheim im März 2014.

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Die renaturierte Horloff am Bingenheimer Ried zwischen Reichelsheim und Gettenau.

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So sah die Horloff an gleicher Stelle im Bingenheimer Ried vor der Renaturierung aus.

Quelle: WZ vom 11.11.2013
Bilder: Alexander Hitz



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