Reichelsheimer Geschichte

Braunkohleabbau im Tiefbau

Bergbau
Anfang des 20.Jahrhunderts wurden nach und nach Braunkohlegruben rund um Wölfersheim erschlossen, die lange Jahre ergiebige Mengen Braunkohle lieferten. In den Gruben wurde die Braunkohle im Tiefbauverfahren, also 'Untertage' gewonnen.

Überblick über die Tiefbaugruben der HEFRAG/PREAG


Name Lage Betriebszeit Kohle (Mio.t)
Grube Ludwigshoffnung westlich von Wölfersheim 1913-1918 0,35
Grube Wölfersheim nördlich Wölfersheim 1917-1934 1,16
Grube Weckesheim süd-östlich Weckesheim 1917-1962 4,44
Grube Gettenau zwischen Gettenau & Wölfersheim 1919-1935 1,97
Grube Melbach östlich Melbach 1929-1937 0,50
Grube Römerstraße zwischen Echzell und Wohnbach 1935-1962 4,56
Grube Heuchelheim westlich Heuchelheim 1941-1962 3,37
Grube Trais-Horloff nördlich Trais Horloff 1947-1949 0,10
Grube Weckesheim-SW nördlich Dorn-Assenheim 1949-1961 0,79
Summe Tiefbau 1913-1962 17,24

Die Gruben rund um Reichelsheim

In der Reichelsheimer Gemarkung lagen die Braunkohlegruben in Heuchelheim und in Weckesheim. Mächtige Kohleflöze versprachen hier einen gewinnbringenden Abbau. Nachfolgende Karte zeigt die Lage der Gruben:

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Die Braunkohlegruben (rot) um 1960 rund um Reichelsheim: Heuchelheim, Weckesheim und Weckesheim SW (von oben nach unten). Ebenso ist die Streckenführung der Grubenbahn zum damaligen Zeitpunkt (grün) und die Seilbahn zwischen den beiden Weckesheimer Schächten (blau) zu sehen.

Die Grube Weckesheim

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Die Tiefbaugrube Weckesheim wurde im Jahr 1842 durch die Fürstlich Solms-Braunfelsische Standesherrschaft eröffnet worden. 1916 ging die Grube an den hessischen Staat über. Bis zum Jahre 1911 wurde die geförderte Braunkohle lediglich zu Heizmaterial (Presssteine) verarbeitet. Ab 1912 wurde nach der Inbetriebnahme des Kraftwerks Wölfersheim auch dorthin Braunkohle geliefert. 1926 wurde die Presssteinherstellung in Weckesheim aufgegeben. 1931 wurde ein neuer Förderschacht abgeteuft und die Braunkohle zunächst mit einer Seilbahn zur Grube Ludwigshoffnung bei Wölfersheim und von dort weiter zum Kraftwerk transportiert. Die mit Kohle beladenen "Hunte" wurden, nachdem sie aus der Grube kamen, von ihrem Fahrgestell entkoppelt und mit einer Aufhängung für die Drahtseilbahn versehen. Die Drahtseilbahn führte über den alten Weckesheimer Sportplatz, kreuzte danach eine Hochspannungsleitung und weiter über die Felder Richtung Wölfersheim.

Die Grubenbahn zum Kraftwerk Wölfersheim wurde 1954 von Heuchelheim nach Weckesheim verlängert. Die Bahn führte zunächst parallel zu Landstraße und Eisenbahnlinie, dann in einem langen Bogen vor Reichelsheim vorbei zur Grube Heuchelheim und dann durch die Felder weiter nach Wölfersheim.

Bei Weckesheim wurde 1949 ein weiterer Tiefbaubetrieb aufgeschlossen, der als Tiefbau Weckesheim-Südwest bezeichnet wurde. Er lag zwischen Dorn-Assenheim und Weckesheim und war mit einer Luft-Seilbahn mit der Grube Weckesheim verbunden. Diese führte, um die Bruchfelder südlich der Grube Weckesheim-Alt zu umgehen, zunächst hoch zur alten Straße zwischen Weckesheim und Dorn-Assenheim und dann in einem Knick zur Grube Weckesheim-Südwest hinüber. Dieser "Knick" erfolgte mit Hilfe einer mächtigen Balkenkonstruktion, die viele Weckesheimer Kinder "Winkelstation" nannten. Bis ins Jahr 1961 wurden in der Grube Weckesheim-Südwest 800.000 Tonnen Braunkohle gefördert.

Erst zum 14. August 1962 wurde die Förderung eingestellt. Von 1917 bis 1962 sind 4,4 Millionen Tonnen Kohle im Tiefbau gewonnen worden.

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Die Schachtanlage "Weckesheim-Alt" um 1950, mit Seilbahn, Förderturm, Bandbrücke und Verladebunker. Die Seibahn im Vordergrund führt zum Kraftwerk Wölfersheim.

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Die ehemalige Seilbahn zum Kraftwerk Wölfersheim wurde über Straße und Bahnlinie mit einer Brücke zum Schutz vor fallendem Material oder aus dem Seil springenden Hunten geführt.

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Blick von Südwesten auf die Grube Weckesheim. Im Vordergrund ist die Seilbahn zu sehen, welche den Tiefbau Weckesheim-Südwest an die Grube Weckesheim anschloss. Im Hintergrund der Förderschacht der Grube Weckesheim.

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Luftaufnahme der Grube Weckesheim. Links unten ist der Kohlverladebunker und der Gleisanschluß des Kohlebähnchens zu erkennen. Rund um die Grube hatten sich in den Bruchfeldern Teiche gebildet, die später mit Abraum aus den Tagebauen verfüllt wurden.

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Blick auf das heutige Gelände der ehemaligen Grube Weckesheim und die seit Ende der 80er Jahre existierende neue Streckenführung der Landstrasse 3187, die per Brücke die Horlofftalbahn überquert. Dahinter der Weckesheimer Teich und rechts davon die ehemalige Bergarbeiter-Siedlung.

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Anfang der 90er Jahre brannte der damals noch stehende Kohlebunker der Grube Weckesheim aus. Unmengen Sperrmüll hatten sich zwischenzeitlich darin angesammelt und wurden vermutlich angezündet. Danach wurde der Betonbunker abgerissen.

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Blick in den ausgebrannten Kohlebunker: Hier sieht man die Abwurföffnungen für die Braunkohle. Durch diese Öffnungen wurde die Kohle auf die Grossraumwagen der Werksbahn verladen.


Die Grube Heuchelheim

1940 begann die damalige HEFRAG mit den Aufschlußarbeiten für die Tiefbaugrube Heuchelheim, die nördlich von Heuchelheim lag. 1942 wurde dort die Kohleförderung aufgenommen. Bis 1962 wurden 3,4 Millionen Tonnen Braunkohle gefördert. Die Grube verfügte neben dem Einfahrschacht später auch über eine Schrägförderstrecke, welche die Kohle aus den Stollen über Förderbänder bis in den Kohlebunker transportierte. Vom Bunker aus wurde die Kohle in Großraumwaggons verladen und mit der werkseigenen Grubenbahn ins Kraftwerk Wölfersheim transportiert.

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Förderschacht der Grube Heuchelheim mit den verwendeten Förderwagen ("Hunte") im Vordergrund.

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Blick vom Förderschacht auf das Grubengeländ der Grube Heuchelheim. Zu erkennen ist der Kohlebunker mit der Schrägförderstrecke, welche die Kohle aus den Stollen fördert.

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Am Kohlebunker der Grube Heuchelheim werden gerade die Grossraumwaggons eines Kohlezuges beladen.

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In der Grube Heuchelheim feiern die Kumpel Weihnachten unter Tage - auch ein Weihnachtsbaum fehlt nicht.


Weitere Gruben rund um Wölfersheim

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1873 ging bei Melbach die Grube "Ludwigshoffnung" in Betrieb und wurde noch während der Betriebszeit bis 1908 durch die neue gleichnamige Grube "Ludwigshoffnung" bei Wölfersheim ersetzt. Diese Grube hatte eine 1,8km lange Seilbahnanbindung an die Preßsteinfabrik am Bahnhof Södel. Die "Ludwigshoffnung" war Sammelpunkt aller Seilbahnen aus den umliegenden Gruben.
In den Jahren 1919 bis 1935 wurden in der Tiefbaugrube Gettenau, die zwischen der "Hohen Strasse" und dem Kraftwerk Wölfersheim in unmittelbarer Nachbarschaft zur Grube Ludwigshoffnung lag, fast zwei Millionen Tonnen Braunkohle gefördet. Zunächst wurde die Kohle per Seilbahn transportiert, ab 1930 wurde die Kohle bis zur Erschöpfung der Vorräte per Grubenbahn transportiert. Gleiches galt für die Grube Wölfersheim-Nord. In diesem Betrieb wurden von 1917 bis 1934 ca. 1,2 Millionen Tonnen Braunkohle gefördert. Eine weitere Grube befand sich östlich von Melbach (Tiefbau Melbach). Zwischen 1929 und 1937 wurden 0,5 Millionen Tonno Braunkohle gefördert.
Heute noch erinnert der Kohlebunker an der Römerstrasse (Bild) an die gleichnamige Grube, die 1934 die Kohleförderung aufnahm. Die Kohle wurde zunächst über einen Schacht, ab 1938 über einen Schrägstollen gefördert. 1962 stellte die Grube Römerstrasse als letzte Tiefbaugrube die Köhleförderung ein, da zwischenzeitlich auf Tagebaubetrieb umgestellt worden war. Bis 1962 wurden hier 4,6 Millionen Tonnen Braunkohle abgebaut.


Bilder/Grafiken:
Alexander Hitz, Manhold Balzer, Jürgen Killer, PREAG-Archiv, Feuerwehr Reichelsheim

Quellen:
- Braunkohle in der Wetterau
- Der Hessische Braunkohlebergbau und seine Bahnen
- PREAG-Archiv



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