Reichelsheimer Geschichte

Germanen in Reichelsheim - Grabungen im Heuchelheimer Hohl

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Ende 2010 wurde ein Konzept zur Ausweisung eines Baugebietes im "Heuchelheimer Hohl" zwischen Reichelsheim und Heuchelheim in der Parlamentssitzung vorgestellt. Im März wurde der Bebauungsplan für das 1,4 Hektar große Gelände in Auftrag gegeben. Der Vorentwurf sah auf dem Areal 21 Bauplätze vor, die über die beiden Straßenverlängerungen der Goethe- und Heinestraße sowie eine neue Stichstraße erschlossen werden sollen. Das Neubaugebiet schließt damit die Lücke zwischen Goethe-, Ulmenstraße, Kreisstraße 180 und dem Ortenbergsgraben.

Im Juni 2011 hatte das Landesamt für Denkmalpflege dem Bebauungsplan des Neubaugebietes "Heuchelheimer Hohl" (der nun 22 Bauplätze vorsieht) keine Zustimmung erteilt. Das Gebiet grenzt laut Kreisarchäologe Dr. Jörg Lindenthal an eine alemannische Siedlung. Etwa 200.000 Euro sollten die nötigen Ausgrabungen auf dem Areal kosten. Die Siedlungsspuren waren qualitativ in der Wetterau einmalig, sodass, ehe Häuser gebaut werden konnten, weitere archäologische Arbeiten sinnvoll erschienen. Die Kosten dafür musste die Eigentümerin, in diesem Fall die Stadt Reichelsheim, tragen.

Anfang des Jahres 2012 wurden auf der Fläche achäologische Grabungen durchgeführt. Für die Grabungen mussten im städtischen Haushalt rund 200.000 Euro bereitgestellt werden. Zeit für die Grabungen wurde bis Ende August 2012 gewährt.

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Lage der Grabungsstätte bzw. des Neubaugebietes "Heuchelheimer Hohl" (rote Fläche).
(Karte © OpenStreetMap und Mitwirkende, CC-BY-SA, Bearbeitung: A.Hitz)

Ein Team um Vor- und Frühgeschichtlerin Anja Eckes grub nach Spuren der Besiedlung aus der alemannischen Zeit. Vor rund 1700 Jahren lebten hier Menschen. Mann erhoffte sich, mehr vom Übergang von der römischen Zeit in die nachrömische Zeit in der Wetterau zu erfahren. Als die Römer sich aus den Limesgebieten zurückzogen, nahmen die Alemannen die Gegend in Besitz. Sie wanderten vermutlich aus dem Norden ein.

Meter für Meter wurde Erde abgetragen. Scherben und Knochen, römische und alemannische Keramik werden gefunden. Das Gebiet wurde zuvor einer sogenannten 'Magnetikuntersuchung' unterzogen. Eine damit erstellte Karte zeigte den Wissenschaftlern, wo Funde vermutet wurden. In jeweils zehn Meter breiten Streifen wurde der Mutterboden abgetragen, bis die hellbraune Lösslehmschicht zum Vorschein kam. Immer wieder stieß man auf dunkelbraune Fragmente, die sich durch die hellere Umgebung zogen. Überall dort wurden vor langer Zeit Löcher in den Boden gegraben und mit Erde aufgefüllt. Maßstabsgetreu wurden diese Funde auf Millimeterpapier kartiert. Kleinere Vertiefungen wurden als Pfostenlöcher identifiziert. Sie deuten auf Häuser und Scheunen hin. Nach der Kartierung aller Pfostenlöcher erhofften sich die Forscher mehr Erkenntnisse über die Siedlung.

Größter und spektakulärster Fund war das Skelett eines Pferdes. Bis auf eine Beschädigung des Kopfes, die vermutlich von einem Pflug stammte, war das Skelett nahezu komplett erhalten. Das Pferd war ordentlich niedergelegt, das Loch bewusst für das Tier gegraben. Ein ganz besonderer Fund war auch eine römische Münze, kaum ein Zentimeter groß, mit Prägungen auf beiden Seiten.
Mehr ein nebensächliches Fundstück war die alte Straße nach Heuchelheim aus dem 18.Jahrhundert, die am südwestlichen Ende des Areals gefunden wurde. Die Steine wurden ausgegraben und fanden im Rahmen des Dorferneuerungsprogrammes für die Gestaltung des Heuchelheimer Dorfplatzes Verwendung. Zwischen den Pflastersteinen, die deutlich sichtbar Fahrgassen aufwiesen, wurden auch Münzen aus dem Mittelalter gefunden.

Rund um das Areal werden noch weitere Bodendenkmäler vermutet. Beispielsweise bleibt es weiter rätselhaft, wo der Friedhof dieser germanischen Siedlung gewesen sein könnte. Es ist auch nicht auszuschließen, dass dieser unter bereits bebautem Gebiet liegt. Von Reichelsheim wurden die Fundstücke zur Kreisarchäologie nach Friedberg gebracht. Dort können Forscher weiter daran arbeiten.

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Das Areal an der Landstraße zwischen Reichelsheim und Heuchelheim wurde schrittweise nach Resten einer germanischen Siedlung untersucht. (1)

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Blick in eine der ausgehobenen Gruben. An den Wänden wurden im Schnitt Überreste der germanischen Siedlung untersucht und kartiert. (1)

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Als sensationellster Fund wurde das Skelett eines Pferdes in die Öffentlichkeit getragen. (2)

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Nebensache: Bei den Grabungen wurde auch die alte Straße von Reichelsheim nach Heuchelheim ausgegraben. Sie findet sich in einer alten Karte aus dem 18.Jahrhundert wieder. (1)

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Archäologe beim Kartieren einer der Funde. Deutlich ist hier eine Grube (dunklere Erde) zu erkennen. (2)

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Am 23.Juni 2012 konnten sich interessierte Bürger das Gelände und die dortigen Grabungen und Funde zeigen und erklären lassen. (2)


Grabkammer gefunden

Unmittelbar am Abzeig der Landstrasse nach Heuchelheim wurde ein noch freies Grundstück 2012-2014 mit drei Wohnhäusern bebaut. Beim Aushub der Baugruben für die Häuser wurden von der Archäologischen Denkmalpflege des Wetteraukreises elf vorgeschichtliche Gräber freigelegt. Neben mehreren Hockergräbern aus der späten Jungsteinzeit konnten auch Urnengräber und Reste von Grabbauten, etwa Umfassungsgräben von Grabhügeln, nachgewiesen werden. Spektakulärster Fund war eine drei mal zweieinhalb Meter große, ehemals aus Holzbohlen aufgebaute Grabkammer. In der westlichen Hälfte lagen die Reste einer Körperbestattung. Neben dem Toten wurde ein Eisenschwert gefunden. In der östlichen Kammerhälfte befanden sich fünf Tongefäße, die vermutlich mit Essensbeigaben fürs Jenseits gefüllt waren. Zwischen den Gefäßen und dem Toten lagen die Knochen eines Schweins, zusammen mit einem Eisenmesser. Anhand der Gefäße war das Grab der frühen Eisenzeit ('Hallstattzeit, 800 bis 450 v.Chr.) zuzuordnen.


Quellen:
- WZ online vom 23.06.2012
- WZ vom 17.04.2014

Bilder:
- (1) Alexander Hitz
- (2) Rolf Braun



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